Medienpluralismus: Mehrschirm-Unterhaltung wird Standard
Österreicher nutzen gleichzeitig TV, Smartphone und Tablet – wie sich Multi-Screen-Verhalten entwickelt und die Medienlandschaft nachhaltig verändert.
Die neue Normalität: Mehrschirm-Unterhaltung im Aufstieg
Die Zeiten, in denen österreichische Haushalte sich abends vor den Fernseher setzten und sich vollständig auf eine einzige Bildschirmquelle konzentrierten, gehören der Vergangenheit an. Eine aktuelle Studie zeigt, dass 68% der Österreicher regelmäßig mehrere Geräte gleichzeitig nutzen – ein Phänomen, das Medienplaner und Broadcaster neu überdenken müssen.
Dieser Trend ist nicht zufällig entstanden. Die Verfügbarkeit erschwinglicher Technologie, die flächendeckende Internetabdeckung und das veränderte Mediennutzungsverhalten einer digital-vernetzten Gesellschaft haben die Grundlagen für diese Entwicklung geschaffen. Was vor fünf Jahren noch eine Nische war, ist heute Mainstream.
Die beliebtesten Mehrschirm-Szenarien
Das Multi-Screen-Verhalten folgt verschiedenen Mustern, die je nach Tageszeit und Kontext unterschiedlich ausgeprägt sind. Forscher haben mehrere Hauptkategorien identifiziert:
TV + Smartphone Kombination
Das klassischste Szenario: Während die Familie eine Serie oder eine Sendung schaut, scrollt mindestens eine Person durch Social Media oder sucht nach zusätzlichen Informationen zum Programm. Diese „Second Screen”-Nutzung macht etwa 45% aller Mehrschirm-Sessions aus.
Tablet für produktive Tätigkeiten
Homeoffice und flexible Arbeitsbedingungen führen dazu, dass Tablets als Arbeitsgeräte neben der Unterhaltung genutzt werden. Ein Drittel der österreichischen Tablet-Nutzer arbeitet regelmäßig auf dem Gerät, während sie gleichzeitig Fernsehen schauen.
PC/Laptop + Streaming
Gaming, Video-Calls und Unterhaltung auf dem Computer ersetzen zunehmend das klassische Fernsehen. 52% der unter 35-Jährigen in Österreich nutzen regelmäßig einen Laptop oder PC als Hauptbildschirm für Unterhaltung.
Nahtlose Übergänge zwischen Geräten
Cloud-basierte Dienste ermöglichen es, eine Serie auf dem TV zu starten und auf dem Smartphone fortzusetzen. Diese Flexibilität hat die Erwartungshaltung von Zuschauern fundamental verändert und erhöht die Kundenbindung.
Wer sind die Multi-Screen-Nutzer?
Das Multi-Screen-Phänomen ist nicht auf eine bestimmte Altersgruppe oder Bevölkerungsschicht beschränkt. Allerdings zeigen sich interessante Unterschiede in der Intensität und Art der Nutzung:
Junge Erwachsene (18-35 Jahre)
Diese Gruppe ist die intensivste Multi-Screen-Nutzer. Sie wechseln durchschnittlich alle 4-5 Minuten zwischen Geräten und nutzen Mehrschirm-Setups als Selbstverständlichkeit. Für sie ist die gleichzeitige Nutzung von drei oder mehr Geräten normal.
Mittleres Alter (35-55 Jahre)
Diese Gruppe nutzt Multi-Screen-Szenarien gezielter und häufig in Kombination mit produktiven Tätigkeiten. Sie sind die Zielgruppe für integrierte Arbeit und Unterhaltung und zeigen höheres Engagement mit Inhalten.
Ältere Erwachsene (55+ Jahre)
Auch diese Gruppe hat sich an Multi-Screen-Nutzung angepasst. Der Fokus liegt oft auf dem primären Gerät (TV), mit gelegentlicher Second-Screen-Nutzung. Das Wachstum in dieser Gruppe ist jedoch am stärksten.
Auswirkungen auf die Medienindustrie
Das Multi-Screen-Verhalten hat tiefgreifende Konsequenzen für Medienunternehmen, Werbetreibende und Content-Creator:
Verändertes Zuschauerverhalten
Die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne sinkt. Traditionelle 90-Minuten-Spielfilme verlieren an Attraktivität, während kurze, episodische Formate und Serien mit Cliffhanger-Enden zunehmen. Streaming-Plattformen haben dies verstanden und produzieren entsprechend.
Werbestrategien neu denken
Werbetreibende müssen ihre Kampagnen an mehrere Plattformen anpassen. Ein Nutzer, der während einer TV-Werbung sein Smartphone zückt, ist potenziell verloren. Cross-Platform-Advertising wird zur Notwendigkeit.
Zuschauerengagement steigt
Paradoxerweise führt Multi-Screen-Nutzung zu höherem Engagement, wenn Inhalte gut designed sind. Hashtags, Online-Diskussionen und Echtzeitreaktionen während Live-Events schaffen eine neue Form der Community.
App-Ökosystem explodiert
Begleit-Apps, Second-Screen-Anwendungen und mobile Erweiterungen zu TV-Programmen sind nicht mehr optional. Sie sind zentral für die Bindung von Zuschauern und für die Datensammlung.
Technologie als Enabler
Die Technologie, die Multi-Screen-Verhalten ermöglicht, entwickelt sich rasant. 5G-Netzwerke versprechen niedrigere Latenzen und zuverlässigere Verbindungen. Smart-Home-Integration ermöglicht es, Inhalte nahtlos zwischen Geräten zu synchronisieren.
Cloud-Gaming-Dienste wie PlayStation Plus Premium und Xbox Game Pass Ultimate ermöglichen es, anspruchsvolle Spiele auf weniger leistungsstarken Geräten zu spielen. Voice-Assistenten wie Alexa und Google Assistant integrieren sich zunehmend in das Entertainment-Ökosystem.
Diese Technologien sind nicht nur Werkzeuge – sie gestalten aktiv, wie Menschen Medien konsumieren. Ein nahtloses Erlebnis wird zur Erwartung, nicht zur Innovation.
Ausblick: Die Zukunft der Multi-Screen-Unterhaltung
Was erwartet uns in den nächsten Jahren? Experten prognostizieren mehrere Entwicklungen:
Augmented Reality Integration
AR-Brillen und erweiterte Realität werden das Multi-Screen-Erlebnis transformieren. Nutzer könnten Informationen überlagert auf ihrer Umgebung sehen, während sie eine Serie schauen oder ein Spiel spielen.
KI-gesteuerte Personalisierung
Künstliche Intelligenz wird Inhalte in Echtzeit an die aktuelle Aufmerksamkeit des Nutzers anpassen. Wenn der Nutzer sein Smartphone nutzt, könnte das Programm auf dem TV automatisch pausieren oder sich an Präferenzen anpassen.
Interaktive Inhalte als Standard
Serien und Filme könnten mit interaktiven Elementen versehen werden, die auf verschiedenen Geräten unterschiedliche Erfahrungen ermöglichen. Die Zukunft könnte „Choose Your Own Adventure”-Formate auf Blockbuster-Niveau bringen.
Datenschutz und Regulierung
Mit zunehmender Datensammlung durch Multi-Screen-Setups wird Datenschutz zum Schlüsselthema. Die EU-Regulierung wird wahrscheinlich strenger, was Broadcaster und Plattformen zu mehr Transparenz zwingt.
Fazit: Mehrschirm ist die neue Norm
Die Mehrschirm-Unterhaltung ist kein vorübergehender Trend, sondern eine strukturelle Veränderung in der Art und Weise, wie Österreicher und Menschen weltweit Medien konsumieren. Für Content-Creator, Broadcaster und Werbetreibende bedeutet dies: Wer nicht auf mehreren Plattformen präsent ist und seine Inhalte nicht auf verschiedene Bildschirme optimiert, wird zunehmend an Relevanz verlieren.
Die Zukunft der Medienunterhaltung ist parallel, nicht linear. Mehrere Geräte, mehrere Inhalte, mehrere Erfahrungen – gleichzeitig. Wer diesen Paradigmenwechsel versteht und nutzt, wird in der sich schnell verändernden Medienlandschaft erfolgreich sein.